Unser Ehrenvorsitzender Wolfgang Fiolka wird 90!

Am 12. November 2021 wird Wolfgang Fiolka, der Ehrenvorsitzende des Landesverbandes der Vertriebenen und Spätaussiedler im Freistaat Sachsen/Schlesische Lausitz (LVS), 90 Jahre alt. Wolfgang Fiolka führt nicht nur den Titel, er hat auch die Erscheinung eines Ehrenvorsitzenden. Er strahlt Ruhe und Sicherheit aus, und wenn er eine Versammlung leitet, macht er das mit großer Souveränität und Geschick. Jeder kommt bei ihm zu Wort. Wer sich selbst wichtiger nimmt als die Sache, wird von ihm gebremst. Aber auch das macht er mit Ruhe und Souveränität. Diese Eigenschaften zeichnen ihn nicht erst seit 2019 aus, als er zum Ehrenvorsitzenden gewählt wurde. Aus alten Zeitungsartikeln, beispielsweise aus Bad Krozingen, wo er vor seinem Wechsel nach Dresden gelebt hat und im BdV aktiv war, ist zu entnehmen, dass er bereits früher über diese präsidialen Eigenschaften verfügte. Wenn man seine Vita kennt, ist das eher verwunderlich.

Anfang 1945 musste die Familie, Wolfgang war damals 13 Jahre alt, vor den herannahenden sowjetischen Truppen aus ihrer Heimatstadt Breslau in das Sudentenland fliehen. Nach der Eroberung Schlesiens durch die Sowjettruppen kehrten sie in die schwer beschädigte Stadt zurück. Nicht nur die Bombardements und der Artilleriebeschuss hatten einen Großteil der Stadt zerstört, sondern auf Weisung des Gauleiters Karl Hanke war ein Teil der Innenstadt dem Erdboden gleichzumachen, um für die Flucht der NS-Größen ein Flugfeld anzulegen. Am 8. Mai 1945 wurde die Familie aus Breslau vertrieben. Innerhalb von vier Stunden mussten sie die Heimat verlassen. Die Vertreibung war nicht das einzige Trauma, dass die Familie erlebte. Während der Flucht und der anschließenden Vertreibung wurde seine Mutter mehrmals vergewaltigt. Diese Erlebnisse veranlassten Wolfgang Fiolka zu der Feststellung, dass am 8. Mai nur die Kämpfe zwischen den Armeen der Kriegsgegner endeten, aber nicht die Leiden unschuldiger Menschen. Zunächst kamen Wolfgang Fiolka und seine Mutter nach Dresden. Hier merken sie sehr schnell, dass sie nicht willkommen waren. 1953 flüchten sie nach West-Berlin. Nach dieser zweiten Flucht absolvierte Wolfgang Fiolka eine Berufsausbildung zum Verwaltungskaufmann. Trotz seiner beruflichen Eingliederung betrachtete (und betrachtet) Wolfgang Fiolka weiterhin Breslau und Schlesien als seine Heimat.

Seit 1957 arbeitet er ehrenamtlich in der Landsmannschaft Schlesien und im BdV mit. 2008 zog er aus familiären Gründen mit seiner Frau Sigrid nach Dresden. Es war für ihn selbstverständlich, dass er sich sofort wieder dem BdV zur Verfügung stellte. Der BdV – Landesverband wählte ihn zu seinem Pressesprecher. 2011 war er maßgeblich an der Gründung des LVS als Nachfolgeorganisation für den insolventen BdV-Landesverband beteiligt. Wegen seiner jahrzehntelangen Erfahrungen in der Vertriebenenarbeit wurde er zum Landesgeschäftsführer des neuen Verbandes gewählt. Dieses Amt hat er bis Ende 2019 ausgeübt. Aber auch für die Basisarbeit war Wolfgang Fiolka sich nicht zu schade. 2012 wurde er zum Vorsitzenden des BdV-Kreisverbandes Dresden gewählt. Sein politisches Credo lässt sich am besten mit den folgenden Zitaten aus Zeitungsinterviews beschreiben. Zu der Frage des Rechtes der Vertriebenen auf Heimat erklärte er: „Wir wollen weder dorthin zurück, noch den Anschluss der früheren Ostgebiete an Deutschland.“ Allerdings forderte er auch, dass Polen und Tschechien sich zu ihrer Mitschuld an der Vertreibung bekennen müssen.

Über seine Verbandsarbeit berichtete er der Presse: „Wir veranstalten deutsch-polnische Sommerlager für Jugendliche. Das ist ein gutes Zeichen für die Zukunft.“ Diese Verständigungsarbeit hat er auch von Dresden aus mit großem Engagement betrieben. Während seiner Tätigkeit als Vorsitzender des BdV-Kreisverbandes Dresden wurden in jedem Jahr ein bis dreimal Gruppen aus dem zu Polen gehörenden Teil Niederschlesiens nach Dresden eingeladen, und jedes Jahr mindestens einmal besuchte sein BdV-Kreisverband Schlesien nicht als Touristen, sondern um Kontakte mit den heutigen Bewohnern zu pflegen. Bei dieser Kontaktpflege leisteten die Chöre und Musikgruppen beider Seiten die wichtigsten Beiträge. Auf diese Weise wurden auch Menschen eingebunden, die nicht mehr zur Erlebnisgeneration gehören.

Seine Arbeit fand auch Anerkennung auf der Bundesebene der Vertriebenen. Die Landsmannschaft der Sudetendeutschen wählte ihn zu ihrem Ehrensenator, und der Bundesverband des BdV verlieh ihm zweimal die goldene Ehrennadel. Über Schicksalsschläge und gesundheitlichen Probleme spricht Wolfgang Fiolka nicht. Wir wissen aber, dass er von beidem nicht verschont blieb.

Wir verbinden den Dank für seine über 60-jährige Arbeit für die Vertriebenen mit dem Wunsch, es möge ihm vergönnt sein, noch einige Jahre die erfolgreiche Fortführung seiner Arbeit zu erleben.

Friedrich Zempel