30 Jahre Landsmannschaft der Deutschen aus Russland in Sachsen

Die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland wurde am 22. April 1950 in Stuttgart gegründet. Als erste Ortsgruppe in den neuen Bundesländern nach der Wende 1990 wurde die Ortsgruppe Chemnitz gegründet. Danach folgten die Ortsgruppen in Dresden und Leipzig. Die Gründung OG Chemnitz erfolgte am 03. Oktober 1990, die Gründung OG Dresden folgte am 17. November 1990, während die Leipziger Ortsgruppe am 10. Mai 1998 ins Leben gerufen wurde. Die Landesgruppe Sachsen konstituierte sich am 01.November 1991. Erster Vorsitzender der LG Sachsen war Herr Adolf Braun.

Deutsche aus Russland gab es auch in der DDR vor 1990. Die meisten kamen in die DDR im Zuge der Familienzusammenführung. Im Einigungsvertrag von 1990 wurden diese Aussiedler nicht erwähnt. Die rechtliche Lage für diese Menschen war 1990 total unklar. Sie waren als Vertriebene bzw. Aussiedler nicht anerkannt und somit von jeglichen in der BRD gültigen Gesetzen (Lastenausgleich, Fremdrentenrecht usw.) ausgeschlossen. Zum damaligen Zeitpunkt war die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland (LmDR) mit Sitz in Stuttgart die einzige Institution, die die Sorgen und Nöte der Deutschen aus Russland verstand und ernst nahm. Wir wussten, dass wir nur gemeinsam die rechtliche Gleichstellung mit den Landsleuten, die gleich in die BRD kamen, erreichen können.

Die LmDR sieht sich nach ihrer Satzung (www.lmdr.de) als Interessenvertretung, Hilfsorganisation und Kulturverein aller Deutschen aus Russland. Vor allem setzt sich die Organisation für die Deutschen in und aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion ein. Recht auf freie Ausreise, auf freie Ausübung der Religion und auf freien Gebrauch der Muttersprache stehen dabei im Mittelpunkt der Bemühungen. Auch das öffentliche Einfordern der Umsetzung des Rechts auf kulturelle Autonomie und auf Wiedergutmachung für das 1941 und später erlittene Unrecht zählt zu den Zielen der Landsmannschaft.  Die LmDR unterstützt die Deutschen aus Russland bei und nach ihrer Einwanderung in Deutschland. Auf sozialer, politischer und kultureller Ebene trägt die Landsmannschaft zur Schaffung günstiger Rahmenbedingungen für die Integration der deutschen Gesellschaft bei und arbeitet dabei mit den zuständigen Verwaltungsstellen auf Landes- und Bundesebene eng zusammen.

„Die rechtliche Gleichstellung von Russlanddeutschen und Einheimischen, Familienzusammenführung, Aufklärung der Öffentlichkeit über die Geschichte der Deutschen aus Russland  sowie insgesamt die soziale Integration in der „alten neuen“ Heimat sind zentrale Themen und Aufgaben der Landsmannschaft.“ (Auszug aus Wikipedia)

Die ersten Jahre nach der Gründung der beiden Ortsgruppen Chemnitz und Dresden standen im Zeichen des Kampfes um die rechtliche Anerkennung. Das war das wichtigste politische Ziel. Aber auch die Identitätsfindung spielte eine große Rolle. Über Jahre oder besser zu sagen über Jahrzehnte war den Deutschen aus Russland in der DDR die Möglichkeit genommen worden, sich in einem breiten Kreis zu versammeln, zusammen zu sein, über sich selbst und über eigene Geschichte zu sprechen. Was in Westdeutschland als selbstverständlich empfunden wurde, mussten wir in schwerer und mühsamer Arbeit, in ständigen Auseinandersetzungen mit allen möglichen Behörden aufbauen. Die Bundesorganisation der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland ist in das Vereinsregister eingetragen. Der Verein ist seit seiner Gründung als gemeinnützig anerkannt. Die Bundesgeschäftsstelle befindet sich in Stuttgart.

Die Gliederung erfolgt nach dem Wohnsitz der Mitglieder durch Bildung von

  1. a) Orts- und Kreisgruppen;
  2. b) Landesgruppen.

Der Landesgruppe Sachsen gehören zur Zeit 3 Ortsgruppen an: Dresden, Leipzig und Chemnitz. „Die Mittel des Vereins werden aus Mitgliedsbeiträgen, Spenden, Zuschüssen und Fördermitteln Dritter, sonstigen Zuwendungen sowie satzungskonformen Erträgen gebildet.“ (Auszug Satzung). Der Mitgliedsbeitrag für die neuen Bundesländer liegt bei einem Jahresbeitrag  von 27 €, wobei nur ein kleiner Teil davon an die örtliche Gliederungen zurückfließt. Der größte Teil des Beitrages wird für die Herausgabe der Vereinszeitschrift „Volk auf den Weg“, die 1 Mal im Monat erscheint verwendet. Fördermittel werden ausschließlich für öffentliche Projekte ausgereicht. Bei der Gründung der Ortsgruppen 1990/91 hatten wir einen großen Zulauf von neuen Mitgliedern. Durch die schlechte Arbeitsmarktsituation in den 1990-er Jahren, haben viele Landsleute Sachsen auf der Suche nach Arbeit Richtung Westen verlassen.  Ein weiteres Erschwernis der Entwicklung der Vereinsarbeit in den Regionen war und bis heute die defizitäre Unterstützung durch die Kommunen.

Eine Belebung der Basisarbeit wurde 2011 mit der Gründung des Landesverbandes der Vertriebenen und Spätaussiedler Sachsen/Schlesische Lausitz e.V. und seinem seither immer wiedergewählt amtierenden Vorsitzenden, Frank Hirche, erreicht. Mit ihm als Landtagsabgeordneten und den Vertriebenenverbänden setzten wir gemeinsam den vom Landtag beschlossenen „Sächsischen Gedenktag für die Opfer von Flucht, Vertreibung und Zwangsumsiedlung“ durch, den wir in diesem Jahr zum siebenten Mal gemeinsam begingen. Dank seiner Unterstützung und parlamentarischen Überzeugungsarbeit konnten wir unsere gemeinsam mit den Vertriebenenverbänden erhobene Forderung nach der Berufung eines „Beauftragten der Sächsischen Staatsregierung für Vertriebene und Spätaussiedler“ im Jahre 2017 durchsetzen. Seitdem bekleidet diese Amt Dr. Jens Baumann mit viel Engagement. Er hat stets ein offenes Ohr für unsere Anliegen und vertritt diese auch gegenüber Staatsregierung sowie in der Versammlung der Beauftragten der Vertriebenen und Spätaussiedler, wie wir gegenüber der Bundesorganisation der LmDR, bei der wir beim Bundesvorsitzenden, Johann Thießen, seit seiner Wahl einen echten Partner gefunden haben. Mit der Einrichtung von den von unserem „Beauftragten…“ unterstützten, geförderten Begegnungsstätten 2019 in den Regionen erreicht die Arbeit mit den Deutschen aus Russland eine neue Qualität und sind auch die Mitgliederzahlen wieder im Steigen begriffen.

Wir freuen uns auch über die Anerkennung des Integrationsbedarfs und des Abbaus entstandener Defizite bei unserer Bevölkerungsgruppe durch die in der letzten Legislaturperiode als Staatsministerin für Gleichstellung und Integration tätige und derzeitige Sozialministerin Petra Köpping, die uns ermutigte, einen Dachverband der sächsischen (Spät-)aussiedler als eingetragenen Verein und gleichberechtigt zum Dachverband der sächsischen Migrantenorganisationen zu gründen, dessen Aktivitäten sie unterstützt und fördert.

Dieses Gesamtpaket wirkt auch auf die Belebung unserer Jugendarbeit. So nahm z.B. 2019 Helena Ehrler aus Chemnitz am 4. Sächsischen Schülerwettbewerb “Flucht, Vertreibung und Integration / geflohen – vertrieben – angekommen? Menschen und ihre Schicksale in Deutschland, Polen und Tschechienteil. Für ihre Arbeiter „Einfluss historischer Ereignisse auf die Familiengeschichten; Russlanddeutsche Familie Hauk“ erhielt sie einen Hauptpreis in der Kategorie „Einzelarbeiten“. In Leipzig entwickelt sich das seit über 20 Jahren existierende Kinder- und Jugendensemble „Sonnenschein“ des Deutsch-Russischen Zentrums Sachsen e.V. in neuen Dimensionen.

Nach 1990 war das wichtigste Ziel die Gleichstellung der in der DDR ansässigen Landsleute mit den Landsleuten in der BRD. Erst 1995 war das so weit geklärt, dass uns der Vertriebenenstatus anerkannt wurde. Die Deutschen aus Russland, die in die DDR bis 1990 eingereist sind erhielten eine  einmalige Zuwendung in Höhe 4.000 DM. Einen sehr schweren und mühsamen Weg hatten die Landsleute, die nach dem 3. Oktober 1990 noch mit der Genehmigung der DDR nach Deutschland kamen. Für sie gab es überhaupt keine Regelungen. Für diese Landsleute war die Landsmannschaft damals manchmal der einzige Ansprechpartner. Der massenhafte Zuzug der Spätaussiedler aus den Staaten der Sowjetunion 1991 – 2000 stellte die Regionalgruppen vor neue Herausforderungen.

Die Deutschen aus Russland gelten heute als Paradebeispiel für gelungene Integration. Danach sah es aber Anfang der 1990er-Jahre nicht unbedingt aus, als Millionen nach Deutschland kamen. Die Arbeit in den Regionalgruppen wurde ja auch nur von Ehrenamtlichen Personen durchgeführt. Zur Zeit kommen nur noch wenige Spätaussiedler nach Deutschland. Die schon länger da sind, sind in der Regel gut integriert. Dennoch brauchen vor allem die älteren Menschen nach wie vor Unterstützung bei der Integration und im täglichen Leben. Für die Landsleute, die derzeit hier ankommen, ist die Lage sehr schwierig. Es gibt keine Übergangswohnheime für Spätaussiedler, keiner ist hier für sie zuständig. Die Leute werden zusammen mit den Flüchtlingen untergebracht und auch als solche behandelt.

Das größte Problem ist die Rentenfrage. „Bei den Deutschen aus Russland liegt der Anteil der im Alter Armutsgefährdeten noch weit über dem Bundesdurchschnitt. Betroffen sind alle Deutschen aus der ehemaligen Sowjetunion, unabhängig davon, ob sie mit dem Status Heimkehrer, Spätheimkehrer, Aussiedler oder Spätaussiedler geführt werden. Die Ursachen dafür, dass die Deutschen aus Russland in weit überdurchschnittlichem Maße von Altersarmut betroffen bzw. bedroht sind, sind die restriktiven Änderungen des Fremdrentengesetzes in den 1990er Jahren und hier vor allem die Bestimmungen des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes. Die drei Hauptbestandteile der restriktiven Änderungen seien hier genannt:

  • Kürzung der Beschäftigungszeiten auf fünf Sechstel;
  • Deckelung der im Ausland erworbenen anrechenbaren Entgeltpunkte, die eine Berechnungsgrundlage für die Rentenhöhe bilden;
  • niedriger Bewertungsfaktor von 0,6.

Die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland fasst ihre Forderungen angesichts von Fehlentwicklungen im Fremdrentenbereich wie folgt zusammen:

  1. Festhalten am Generationenvertrag – Weg vom Argument der Sozialverträglichkeit und Stützung des Eingliederungsgedankens nach dem Kriegsfolgenbereinigungsgesetz (KfbG), d.h. Festigung der Integration in das Gemeinwesen.
  2. Weg mit der Kürzung der Rente um 40%, da die Betroffenen selbst bei einer Lebensarbeitszeit von 45 Jahren größtenteils unter das Existenzminimum fallen und Grundsicherung beantragen müssen, damit sie ihr Überleben garantieren können.
  3. Bei der Kürzung der Rente um 1/6 wird von den Beteiligten umfangreiches Material zum Nachweis von früheren Tätigkeiten verlangt, die sie nicht leisten können und die eine komplette Überforderung in ihrer persönlichen Situation darstellen. Deshalb Aufhebung der 1/6 Kürzung. Damit wäre auch die Beweislast für die Betroffenen vom Tisch.
  4. Keine Beantragung der Rente aus Russland verlangen, da es hierfür an einem Sozialabkommen bzw. an eindeutigen Gesetzesgrundlagen fehlt. Mit den Herkunftsländern wären daher entsprechende Sozialabkommen wünschenswert.
  5. Keine Zwangsverrentung durch die Sozialbehörde. Diese zieht nämlich eine weitere Kürzung nach sich, da pro Monat der frühzeitigen Inanspruchnahme der Rente 0,03% weniger Rente bezahlt wird. Dies kann, je nachdem wie lange man früher in Rente geht, eine Kürzung von bis zu 18% nach sich ziehen, und dies auf Dauer. Hier ist auch die einheimische Bevölkerung betroffen und nicht nur Spätaussiedler.
  6. Anpassung des Rentensystems an die veränderten Rahmenbedingungen der Arbeitswelt. Bedeutet: weniger Minijobs, weniger befristete Arbeitsverträge und damit weniger Phasen der Erwerbslosigkeit und niedriger Löhne.“ (aus „Stellungnahme LmDR“)

Im Mittelpunkt der Vereinsarbeit steht die Betreuung der Landsleute in allen Fragen des täglichen Lebens.

Was tun wir:

  • Wir vertreten die Interessen der Aussiedler.
  • Wir kämpfen für das Aus- bzw. Einreiserecht unserer Landsleute.
  • Wir pflegen die Kultur der Russlanddeutschen.
  • Wir vermitteln Wissen über die Geschichte der Deutschen aus Russland.
  • Wir beraten und begleiten unsere Landsleute In Problemlagen.

Wir bieten an:

  • Begleitservice in Behörden und Institutionen
  • Dolmetschen, Übersetzen
  • Freizeitgruppenarbeit (Gesang, Heimatabende)
  • Hilfe im Schriftverkehr
  • Kultur- und Geschichtsveranstaltungen
  • Hobbys im Handarbeitszirkel sowie Kommunikationstraining Deutsch für Senioren

Nach der Eröffnung der Begegnungscenter in den Regionen sind andere Einrichtungen und Vereine wieder auf die LmDR aufmerksam geworden und nehmen unsere Angebote in Anspruch. Die LmDR ist offen für eine Zusammenarbeit mit anderen Organisationen und arbeitet an der Gewinnung weiterer Kooperationspartner. Wir sind optimistisch ehemalige Mitglieder wieder zurück zu gewinnen und mehr Deutsche aus Russland für die aktive Mitarbeit in ihrer gesellschaftlichen Vertretung zu organisieren. Die Zuversicht, dies erreichen zu können, gibt uns nicht zuletzt, aber vor allen Dingen unser seit 2005 durch ununterbrochen wieder gewählter Landesvorsitzende, Florian Braun, der unermüdlich Initiator und kompromissloser Verhandlungspartner für die Rechte und Anliegen der Spätaussiedler nach außen und feinfühliger, verständnisvoller Partner für die Mitglieder und seine Vorstandskollegen/innen ist. (Tews/Hellmund)